Meine Karriere wird bald „ein bitteres Ende“ haben: Eva Herman und die größeren und kleineren Zusammenhänge

Ein Screenshot von Eva Hermans Telegram-Kanal zeigt, dass sie inzwischen über 110.000 Follower hat.

Eigentlich hätte es für mich eine entspannte Woche werden können. Dann kam ein spontaner Auftrag vom Deutschlandfunk-Medienmagazin „@mediasres“. Zwei Tage später erklärten mir erboste Fans von Eva Herman in Dutzenden E-Mails, dass ich ihr Idol angeblich „manipulativ aus dem Zusammenhang“ gerissen habe, mich für mein „niederträchtiges Verhalten“ werde verantworten müssen – und meine Karriere bald „ein bitteres Ende“ hat. Aber der Reihe nach…

Ich sollte einen kleinen Beitrag schreiben über die wachsende Bedeutung von Telegram – auch mit Blick auf die Organisation der aktuellen Corona-Demos. Der Messenger-Dienst und WhatsApp-Konkurrent hat sich schließlich in den vergangenen Jahren zu einer Art Gegenöffentlichkeit entwickelt. Im deutschsprachigen Raum tummeln sich dort auffällig viele Menschen und Gruppen, die rechtspopulistisches bis rechtsextremes Gedankengut verbreiten – oder auch immer wieder wilde Verschwörungserzählungen. Meinen fertigen Beitrag gibt es hier.

Einen einflussreichen Telegram-Kanal mit inzwischen weit über 100.000 Abonnenten betreibt Eva Herman. Die ehemalige Tagesschau-Sprecherin und Talkshow-Moderatorin hatte sich in den frühen 2000er Jahren erst in Büchern für ein sehr konservatives Familienbild eingesetzt – und sorgte dann mit reichlich verquasten Äußerungen zur Mutterrolle im Nationalsozialismus für Schlagzeilen. In der Folge verlor Herman deshalb sogar ihren Job beim NDR. Dabei fühlte sie sich komplett falsch zitiert, und klagte durch alle Instanzen. Bis der Bundesgerichtshof schließlich entschied, dass man ihre damaligen Sätze eigentlich nur als eines interpretieren kann: Als positive Äußerung über das Bild der Mutter in der NS-Zeit – auch wenn sie sich gleichzeitig grundsätzlich vom Nationalsozialismus distanziert hatte.

Nun wirft Eva Herman also auch mir vor, sie falsch zitiert zu haben. Kurz nach Ausstrahlung meines Beitrags im Deutschlandfunk erschien auf ihrem Telegram-Kanal eine Sprachnachricht, in der sie sich bitter beklagt, dass ich sie aus dem Zusammenhang gerissen habe. Ihre Abonnenten mögen doch bitte den Deutschlandfunk anschreiben, obwohl es ihr ja eigentlich total egal sei, was die Mainstream-Medien über sie schreiben.

Die Nachricht vom 12.05.2020 im Telegram-Kanal von Eva Herman.
Ausschnitt aus Eva Hermans Audiobotschaft zu meinem Beitrag.

Und was soll ich sagen? Eva Herman hat in gewisser Weise recht. Ich habe Äußerungen von ihr aus einem Zusammenhang genommen und den konkreten Kontext weggelassen. Das ist allerdings ziemlich normal und journalistisch auch völlig in Ordnung. Denn in einer Radiosendung beispielsweise über eine Bundestagsdebatte können wir nicht jeden Redebeitrag komplett spielen. Wir verkürzen also fast immer und ordnen die Zitate im Sprechertext ein, um damit dann größere Zusammenhänge aufzuzeigen. Wichtig ist dabei allerdings immer, dass die neue Einordnung korrekt ist und sich belegen lässt, und das Zitat nicht entgegen dem ursprünglichen Zusammenhang verwendet wird.

Ähnlich wie der Sänger Xavier Naidoo oder der ehemalige RBB-Moderator Ken Jebsen verteilt Herman auf ihrem Kanal regelmäßig massenhaft Fotos, Videos und Texte. Oft auch aus eher zweifelhaften Quellen wie dem Sender Russia Today. Außerdem gibt es regelmäßig auch kürzere und längere Audiobotschaften. Und dabei ist offenbar auch für Herman Microsoft-Gründer Bill Gates ein beliebtes Feindbild:

„… das ist eine klare Kampfansage an die globale Impf-Allianz von Bill Gates und Angela Merkel und Co. Und ist aus meiner Sicht eine sehr hoffnungsbringende Botschaft.“

Auszug aus dem Originalbeitrag im Deutschlandfunk vom 12. Mai 2020.

Genau so habe ich es in meinem Beitrag gemacht. In den Telegram-Kanälen von Eva Herman und anderen taucht in diesen Tagen immer wieder ein Name auf: Bill Gates. Zum Zeitpunkt meiner Recherche hat eine einfache Suchanfrage im Kanal von Eva Herman über 200 Treffer zu „Bill Gates“ ergeben. Oft in ziemlich negativen Zusammenhängen. Er ist also offenbar ein beliebtes Feindbild. Das sage ich in meinem Sprechertext und um das zu belegen benutze direkt anschließend ein Zitat aus einer Telegram-Audiobotschaft von Eva Herman, in der sie von einer „globale[n] Impf-Allianz von Bill Gates und Angela Merkel und Co.“ redet.

Das Zitat stammt aus einer kurzen Audiobotschaft vom 9.05.2020, in der Eva Herman eine vermeintlich sehr gute Nachricht verkündet: US-Präsident Donald Trump habe gesagt, dass das Corona-Virus auch ohne einen Impfstoff von selbst wieder verschwinden wird. Diese Aussage interpretiert Herman als eine Kampfansage an „die globale Impf-Allianz von Bill Gates und Angela Merkel und Co.“, bringt an dieser Stelle Bill Gates also selbst ins Spiel.

Mal abgesehen davon, dass Donald Trump nicht die beste und verlässlichste Quelle ist, wenn es um Corona und Covid-19 geht, spielt er im Kontext meines Beitrags keine Rolle. Es geht weder vor noch nach dem Zitat um Trump. Die Textstelle ist aber ein gutes Beispiel dafür, dass Eva Herman Bill Gates als Feindbild in ihren Telegram-Botschaften nennt.

Immerhin: Der Mini-Shitstorm ist inzwischen auch schon wieder abgeflaut. Und insgesamt hielt sich die Wortwahl der Mails halbwegs im Zaum. Sicher wurde ich in vielen Mails auch beschimpft und auch oft genug beleidigt. Aber da haben viele Kollegen und vor allem Kolleginnen schon deutlich schlimmere und hasserfülltere Hörerpost bekommen.

Die negativen Reaktionen auf meinen Beitrag kamen übrigens fast alle per E-Mail. Nur ganz wenige, vereinzelte Kommentare oder Nachrichten gab es auf Facebook, Instagram oder Twitter. Das deutet darauf hin, dass die Telegram-Fans von Frau Herman ansonsten wohl tatsächlich kaum weitere soziale Netzwerke nutzen. Ein Beleg für die These von Telegram als einer Art „Gegenöffentlichkeit“, mit der die ganze Recherche angefangen hat.