Natur per App entdecken

Mit einem Smartphone werden kleine gelbe Blumen fotografiert. Foto: SW

Wer raus in die Natur geht, der kann immer wieder spannende Pflanzen oder Tierarten entdecken. Diese zu bestimmen ist allerdings selbst mit einem passenden Fachbuch nicht immer einfach. Inzwischen helfen hier aber auch intelligente Smartphone-Apps. Wie sich Vogelstimmen und Pflanzen damit bestimmen lassen, habe ich für den Deutschlandfunk ausprobiert, gesendet am 9. August 2021.


Ich gebe zu: Von Vogelkunde habe ich bisher wenig Ahnung. Amsel, Drossel, Fink und Star – die kenne ich zwar vom Namen her aus dem berühmten Kinderlied. An ihrer Stimme erkennen könnte ich sie aber ganz sicher nicht. Doch genau dabei helfen soll mir jetzt die Smartphone-App “BirdNET“. Bei einem kleinen Spaziergang probiere ich sie aus

Ich muss einfach nur in der App auf ‚Start‘ drücken – und schon beginnt die BirdNET-App mit dem eingebauten Mikrofon im Smartphone die Vogelstimmen aufzuzeichnen. Auf dem Bildschirm erscheint nun ein mehrfarbiges Bild. Es zeigt die Tonhöhe und die Frequenz der Zwitscher-Töne in abgestuften Farben an Die Vogelstimmen lassen sich darauf gut als Linien oder auch als eigenwillige Muster erkennen. Auf dem Bildschirm muss jetzt nur noch mit dem Finger der Abschnitt mit der entsprechenden Vogelstimme markiert werden. Drückt man dann auf “Analysieren” – und nach sein paar Sekunden kommt das Ergebnis: “Grünfink. Sehr sicher.”

Manche Vögel haben bis zu 1000 unterschiedliche Lieder

Für die Erkennung schickt die App die Tonaufnahmen vom Smartphone an das Rechenzentrum der Technischen Universität Chemnitz. Dort wertet ein so genanntes neuronales Netz die Vogelstimmen aus. So ein neuronales Netz wird mit vielen, vielen Beispielen gefüttert – und lernt dann ganz ähnlich wie wir Menschen auch bestimmte Muster zu erkennen, erklärt Projektleiter Stefan Kahl, der die App und das System dahinter zusammen mit Forschern aus Mitteldeutschland und den USA entwickelt hat.

“Man würde eigentlich denken: Ein Vogel, ein Lied. Das ist aber sehr viel komplexer. Es gibt Vogelarten, die bis zu 1000 Lieder haben pro Individuum. Es gibt regionale Dialekte.”

Stefan Kahl, Projektleiter BirdNET

Die Computer orientieren sich aber dabei teilweise an Mustern, die wir Menschen so gar nicht direkt wahrnehmen können, erklärt der Medieninformatiker.

“Und es ist gar nicht so, dass man: Naja, das wird wohl der Frequenzbereich sein des Vogels… das wird die Notenfolge sein… Sondern es ist viel mehr als das. Also es sind nicht diese ganz einfachen Eigenschaften die man sich vorstellen würde. Sondern es ist deutlich komplexer.”

Stefan Kahl, Projektleiter BirdNET

Aufnahmen der Vogelstimmen werden für Forschungsprojekte genutzt

Die aufgenommenen Vogelstimmen und die ungefähren Aufnahmeorte werden in einer großen Datenbank gesammelt und für weitere Forschungsprojekte aufbereitet. Wer die kostenlose App nutzt, unterstützt so gleichzeitig die weitere Arbeit der Forscher.

Ganz ähnlich läuft das auch bei “Flora Incognita“, einem Projekt der Technische Universität Ilmenau und dem Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Mit der ebenfalls kostenlosen Flora-Incognita-App können Nutzer Pflanzen fotografieren und bestimmen lassen.

Bei meinem Spaziergang versuche ich mit der App ein paar niedliche gelbe Blümchen auf einer Rasenfläche zu bestimmen. Ich kniee mich hin, mache das ein Foto – und die App erkennt: Es ist vermutlich der gewöhnliche Hornklee!

Das Ergebnis der Pflanzenerkennung: Der gewöhnliche Hornklee. Screenshot: SR

Die Flora Incognita-App wird unter anderem vom Bundesamt für Naturschutz gefördert und beispielsweise im Rahmen von Umweltbildungs-Projekten eingesetzt, berichtet der am Projekt beteiligte Biologe Michael Rzanny.

“Zum anderen hat sie aber auch noch einen größeren wissenschaftlichen Anspruch. Es geht uns nämlich darum, das Vorkommen von Pflanzen – zunächst in Deutschland, aber auch in Mitteleuropa und vielleicht irgendwann auch noch der ganzen Welt – zu dokumentieren.”

Michael Rzanny, Biologe beim “Flora Incognita”-Projekt

Je besser Foto oder Tonaufnahme, desto genauer funktioniert die Erkennung

Damit das klappt, muss die App möglichst oft benutzt werden, damit möglichst viele Datensätze zusammenkommen. Und seit dem Start der App vor gut drei Jahren wurde sie laut Rzanny auch schon rund 45 Millionen mal benutzt. Wichtig für die Forschung ist aber natürlich auch die Genauigkeit, mit der Pflanzen korrekt bestimmt werden.

“Wir haben das in verschiedenen Studien, kleineren Studien, Masterarbeiten und dergleichen getestet. Und da kamen immer in der Praxis Werte von zwischen 85 und 95 Prozent heraus. Je nachdem, welche Arten man da nun genau betrachtet.”

Michael Rzanny, Biologe beim “Flora Incognita”-Projekt

Schwierig sei beispielsweise die Bestimmung von unterschiedlichen Gräsern, die sich teilweise sehr ähnlich sehen und außerdem nur schlecht fotografieren lassen. Grundsätzlich gilt nämlich bei beiden Apps: Je besser die Fotos der Pflanzen oder die Tonaufnahmen der Vogelstimmen sind, desto besser können die Systeme die jeweiligen Arten bestimmen.