Wildkameras: Tiere beobachten mit Laptop und TV

Tierbeobachtung per Laptop und Webcam: Ein Turmfalken-Weibchen schaut in die Kamera der Kallmuther FalconCam. Foto: SR

Wildtiere zu beobachten ist normalerweise vergleichsweise kompliziert: Viele laufen schließlich weg, sobald sich ihnen Menschen nähern. Per Internet lassen sich Wildtiere aber inzwischen auch ganz entspannt vom heimischen Schreibtisch oder Sofa aus beobachten – per Internet. Tausende Wildkameras in aller Welt liefern Live-Bilder aus den Nestern und Höhlen und Adlern, Falken und anderen Tieren in aller Welt. Ein Beitrag für die Sendung „Umwelt & Verbraucher“ im Deutschlandfunk, ausgestrahlt am 25. Mai 2021.

Aufregung im Falkenkasten: Zwei Dohlen hatten sich im April in der großen schwarzen Brut-Kiste am alten Pfarrhaus im Eifeldörfchen Kallmuth bei Euskirchen eingerichtet. Doch: Ein Turmfalken-Weibchen beansprucht nun den Kasten für sich. In den nächsten Tagen folgen immer wieder kleine und größere Kämpfe, erzählt Stefan Leisten, der mit Frau und Tochter seit ein paar Jahren schon im Pfarrhaus wohnt:

„Der Falke hat versucht die Dohle, ich würde mal sagen, aus dem Kasten heraus zu reißen. Sie hat sich in sie reingekrallt und hat versucht wegzufliegen. Das sah schon brutal aus. Ich hab auch gedacht, dass sie die erwürgen möchte.“

Beobachten konnte Stefan Leisten diese Kämpfe quasi aus allernächster Nähe. Denn im Falkenkasten ist seit diesem Jahr eine kleine Kamera installiert: „Man sieht das Kabel. Das ist Stromzufuhr und Datenübermittlung an den Router. Und vom Router gehen wir dann zu YouTube. Damit jeder auch live in die Kiste reingucken kann und sehen kann, was passiert.“

In gestochen scharfer HD-Auflösung können Vogelfreunde so mit dem eigenen Laptop aus nächster Nähe live in den Falkenkasten schauen – oder sogar vom Sofa aus mit der YouTube-App im Fernseher.

Mäuse und Ratten werden mit Haut und Haaren gefressen

Finanziert werden Kamera und die Kosten für Wartung und Betrieb durch die Dorfgemeinschaft. Schließlich ist das Ganze auch ein Projekt um Kallmuth schöner und lebenswerter zu machen – und vielleicht auch ein bisschen Werbung für das Dorf, erklärt Ortsbürgermeister Robert Ohlerth.

Screenshot von der FalconCam Kallmuth: Dohlen und Turmfalken-Weibchen kämpfen um den Brutkasten. Screenshot: SR
Dohlen und Turmfalken-Weibchen kämpfen um den Brutkasten. Screenshot: SR

„Das war uns auch wichtig, dass wir was für die Umwelt tun. Dass der Kindergarten reinschauen kann, was hier im Dorf so los ist. Aber auch die Schulen in Mechernich. Und in Corona-Zeiten hat man ja auch etwas mehr Zeit, dass der eine oder andere doch einige Stunden vor dem Fernseher gesessen oder vor dem Handy gesessen hat und geschaut hat, wer denn Sieger wird im Kampf um die Dohlen und die Turmfalken.“

Sieger waren am Ende übrigens tatsächlich die Turmfalken. Das Dohlenpärchen hat die Kämpfe aber auch relativ unbeschadet überstanden und wohnt jetzt ein paar Meter weiter – im zweiten Brutkasten am Pfarrhaus. Blutig wird es im Falkenkasten zurzeit nur noch wenn einer der Falken Beute nach Hause bringt: Meist frisch gefangene Mäuse oder gelegentlich sogar eine Ratte, erzählt Stefan Leisten.

„Und dann neigt man auch schon mal zum Wegschauen. Aber gut: das ist nun mal die Natur. Und da gehört das nun mal mit dazu, dass ein Tier mit Haut und Haaren gegessen wird.“

Drei bis vier Falken-Eier liegen im Nest

Meist sind die Live-Bilder zurzeit aber eher entspannend: Schließlich brütet das Turmfalken-Weibchen jetzt schon eine ganze Weile ihre Eier aus, erzählt Leisten.

„Zirka um den 10. Mai kam es zur Ei-Ablage. Und in den Tagen danach kamen dann noch vereinzelt Eier dazu. Es sind jetzt etwa drei bis vier Eier. Wir können es nicht ganz genau sagen. Und jetzt wird der Brüt-Prozess zirka vier Wochen dauern. Und dann wird es zirka einen Monaten dauern bis die Falken flügge sind.“

Die Falkenkamera in Kallmuth ist dabei nur eine von vielen dieser so genannten Wildkameras. Betrieben werden sie oft von Nationalparks, Zoos oder auch Umwelt-Organisationen. So lassen sich vom heimischen Sofa aus Bären in Rumänien beobachten, Elefanten in Afrika oder Pandabären in China.

Dabei geht es nicht immer nur um spannende Bilder und Werbung für die eigene Organisation. Auch für die Forschung spielen Wildkameras eine wichtige Rolle. Ein typisches Beispiel ist eine Kamera, die der Naturschutzbund NABU in der russischen Uljanowsk-Region betreibt. Die Kamera beobachtet ein Adlernest in dem zurzeit ein Kaiseradler-Pärchen brütet. Mit der Kamera erforscht der NABU zusammen mit Wissenschaftlern und lokalen Partnerorganisationen die Lebensweise der bedrohten Tiere, erzählt Projekt-Koordinator Marco Philippi.

„Weil wir dadurch eben Einblicke kriegen, die mit Ferngläsern oder auch mit GPS-Sendern nicht möglich sind. Also wir können dadurch zu Beispiel ermitteln: Wie sieht es mit der Nahrungsversorgung aus, mit der Nahrungszusammensetzung, wie sieht es mit der Brutaufzucht aus. All solche Einblicke bekommen wir.“

NABU: Natur und Umweltschutz mit emotionalen Bildern erlebbar machen

Gleichzeitig ist die Kamera für den NABU aber auch ein Mittel um Umweltbildung und die Bedeutung von Naturschutz zu vermitteln, erzählt Philippi. Viele Fans schauen zurzeit fast täglich auf der Nabu-Webseite vorbei und fiebern gebannt dem Tag entgegen, an dem die kleinen Adler endlich schlüpfen.

„Ja, das sind eben emotionale Erlebnisse. Und so eine emotionale Bindung ist ja ganz, ganz wichtig im Naturschutz. Naturschutz wird dann für die Menschen ein wichtiges Anliegen, wenn sie ein emotionales Verhältnis haben. Und nicht wenn sie das eben nur rational begreifen, sondern wenn sie das direkt erfahren und erleben können.“

Nach dem Schlüpfen wird es für die Zuschauer dann besonders spannend, glaubt Philippi.

„Wie aus so einer kleinen niedlichen Federkugel dann plötzlich ganz schnell ein junger Vogel wird, der dann irgendwann anfängt mit den Flügeln zu schlagen und erste Flugversuche macht. Und dann irgendwann im Spätsommer das Nest verlässt.“

Bis es soweit ist wird es allerdings noch ein paar Tage dauern: Der Nabu rechnet für Ende Mai bis Anfang Juni mit dem Nachwuchs im Adlernest.