Facebook-Urteil: Digitales Erbe nicht grundsätzlich geklärt

Facebook-Schild vor der Firmenzentrale in Menlo Park. Quelle: Facebook

Ein „Grundsatz-Urteil“ klingt bedeutend und wichtig. Und das ist sicher auch das Facebook-Urteil zum digitalen Erbe. Nur klärt es wohl nicht das, was viele Journalisten-Kollegen glauben. Denn es ist jetzt mitnichten so, dass in Zukunft Angehörige nach dem Tod immer und in jedem Fall Benutzerkonten zu allen Sozialen Netzwerken erben. Geklärt wurden im Urteil stattdessen juristische Grundsatzfragen, die vor allem die Formulierungen von zukünftigen AGBs und Nutzerverträgen von Online-Diensten aller Art betreffen. Fragen, die zuallererst für Juristen interessant sind.

Das Gericht hat in seinem Urteil – laut Pressemitteilung, der Volltext liegt bei Verfassen dieses Textes noch nicht vor! – tatsächlich entschieden, dass Facebook in diesem Fall die Daten an Eltern heraus geben muss. Allerdings nur, weil die Rechtsabteilung von Facebook quasi geschlafen hat und die eigenen Vertragsbedingungen nicht wasserdicht formuliert hat, bzw. überhaupt keine Regelungen zur Vererbbarkeit bzw. Nicht-Vererbbarkeit des Benutzerkontos geschaffen hat:

Dessen Vererblichkeit ist nicht durch die vertraglichen Bestimmungen ausgeschlossen. Die Nutzungsbedingungen enthalten hierzu keine Regelung.

Sprich: Es gibt im Vertrag keine gültigen Regeln zur Vererbbarkeit. Hätte Facebook solche Regeln gehabt, hätte der Fall ganz anders ausgehen können. Vermutlich wird der Konzern deshalb in den nächsten Monaten seine Nutzungsbedingungen aktualisieren und die Formulierungen an das Urteil anpassen, genau wie viele andere Online-Dienste: Anbieter von E-Mail-Konten, Online-Shops und Dating-Plattformen.

Dass am Ende die Erben in jedem Fall Zugriff auf das digitale Erbe bekommen, ist eher unwahrscheinlich. Denn viele Unternehmen werden wohl zukünftig eine Vererbbarkeit der persönlichen Benutzerkonten in ihren Verträgen ausschließen. Und das ist sicher auch im Sinne vieler Nutzer. Denn wer befürchten muss, dass nach seinem Tod Kinder oder Eltern sämtliche Chat-Nachrichten lesen wird, der wird sich weit weniger frei und offen äußern.

[Update 1.8.2018, 13:15 Uhr]

Inzwischen liegt das Urteil im Volltext vor. Tatsächlich klärt das Urteil sogar noch weniger Grundsatzfragen als gedacht. Entschieden wurde: Benutzerkonten können vererbt werden, müssen es aber nicht in jedem Fall. Die entscheidenden Sätze finden sich unter den Randziffern 24 und 25:

Die Vererbbarkeit von Ansprüchen kann vertraglich ausgeschlossen werden. Dies ist hier indes nicht der Fall. […] Die Nutzungsbedingungen der Beklagten enthalten keine Regelung zur Vererbbarkeit des Benutzungsvertrags und der Inhalte des Benutzerkontos.

Das ist wirklich der für das Urteil entscheidende Punkt: Facebook hat hier geschlafen und keine klare Regelung zur Vererbung bzw. Nicht-Vererbbarkeit des Benutzerkontos in den Nutzungsvertrag geschrieben. Das wäre grundsätzlich möglich. Praktisch der gesamte Rest des Urteilstextes dreht sich vereinfacht gesagt um die Frage, warum eine Vererbbarkeit von Benutzerkonten nicht ohnehin unmöglich ist. Beispielsweise aufgrund der „höchstpersönlichen Natur“ der gespeicherten Daten oder wegen bestimmter Datenschutzregelungen. Facebook hatte hier verschiedene Argumente zitiert, die auch in der juristischen Fachliteratur immer wieder diskutiert wurden. – Den BGH haben diese Argumente allerdings allesamt nicht überzeugt.

Die spannende Frage ist jetzt: Wie könnte Facebook also wirksam den Datenschutz auch über den Tod hinaus gewährleisten? Interessant ist in dem Zusammenhang noch ein weiterer Satz aus Randziffer 25:

Offen bleiben kann dementsprechend, ob die Vererbbarkeit des vertraglichen Nutzungsverhältnisses und des daraus folgenden Kontozugangsrechts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich wirksam ausgeschlossen werden kann.

Die aktuellen Regelungen zum „Gedenkzustand“ bei Facebook-Profilen werden in der Urteilsbegründung jedenfalls zerpflückt und als viel zu unpräzise und damit ungültig verworfen. Möglicherweise reicht also eine Änderung der AGBs. Besser wäre es allerdings wenn die Nutzer hier schon bei der Einrichtung des Kontos (bzw. nachträglich in den Privatsphäre-Einstellungen) selbst eine Einstellmöglichkeit bekommen könnten und das Ganze durch entsprechende Regeln im Nutzungsvertrag oder in den Datenschutzbestimmungen abgesichert wird. Also eine Option nach dem Motto: „Wer darf nach meinem Tod auf mein Facebook-Konto zugreifen?“ – Damit hätte der eigentliche Vertragspartner eine klare Entscheidung getroffen, ob seine digitalen Inhalte an die Erben übergehen sollen.

Foto: Facebook-Schild vor der Firmenzentrale in Menlo Park. / Quelle: Facebook