Die sogenannte „Werberelevante Zielgruppe“ der 14- bis 49-Jährigen ist seit jeher umstritten. Vor allem, weil die über 50jährigen für die Programmplaner damit zumindest bei den Privatsendern quasi durch das Raster fallen. Doch inzwischen kommt Bewegung in das Thema. Weil unsere Gesellschaft immer älter wird, wollen jetzt auch zumindest einige Privatsender die „Werberelevante Zielgruppe“ neu definieren: Zukünftig sollen demnach die 14 bis 59jährigen als werberelevant gelten. Doch was heißt das in der Praxis? Und wird sich diese neue Zielgruppe durchsetzen? Diesen Fragen bin ich in einem Beitrag für das WDR5-Medienmagazin „Töne, Texte, Bilder“ nachgegangen, gesendet am 5. Februar 2013.
Fragt in der Werbebranche rum, was denn eigentlich an der viel zitierten „Werberelevanten Zielgruppe“ der zwischen 14 und 49jährigen so besonders ist, lernt man erstaunliches: Denn tatsächlich sei die Altersgruppe vor allem für die Privatsender relevant, erklärt Volker Nickel vom Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft.
„Werberelevant sind alle Einwohner in der Bundesrepublik, wenn man die Babys mal abzieht. Also ab 12 Jahren etwa, dann wenn sie selber als Konsumenten auftreten.“
Entstanden sei die Idee der vermeintlich „werberelevanten Zielgruppe“ Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre, kurz nach dem Aufkommen der ersten Privatsender. ARD und ZDF waren damals noch unangefochtene Marktführer.
„Und die privaten Fernsehsender haben sich gesagt: Wie können wir uns denn gegenüber den öffentlich-rechtlichen abgrenzen. Oh fein: Wir konzentrieren uns auf die jüngeren Leute.“
Also haben die Sender ihre Einschaltquoten nur für die 14 bis 49jährigen berechnet – und sahen nicht zuletzt durch diesen Rechentrick plötzlich erheblich größer und wichtiger aus.
Die Fernsehsender sprechen statt von der „Werberelevanten Zielgruppe“ inzwischen lieber von einer „Referenzzielgruppe“. Und die sei einfach eine einheitliche Größe, mit der man schnell und auf einen Blick verschiedene Sender untereinander vergleichen kann, erklärt Martin Michel von Sky Media Network, dem Werbevermarkter der Sky-Gruppe.
„Wie haben sich meine Reichweiten entwickelt. Und wie haben sich die Marktanteile entwickelt. Wie entwickelt sich ein Fernsehsender oder ein Format. Und sie haben das immer an dieser Zielgruppe 14-49 dann entsprechend ausmachen können. Und diese Vergleichbarkeit hat – ich sag jetzt mal: 25 Jahre – hervorragend funktioniert.“
Doch die Bevölkerungsstruktur hat sich in den vergangen Jahren stark verändert: Immer mehr ältere Zuschauer stehen jetzt immer weniger jüngeren gegenüber. Sky und die RTL-Gruppe wollen ihre Quoten und Reichweiten deshalb zukünftig anders berechnen. Statt 14 bis 49 lautet die neue Zielgruppe Männer und Frauen zwischen 14 bis 59 Jahren, erklärt Julian Weiss vom RTL-Werbevermarkter IP-Deutschland.
„Die 14-59jährigen machen heute 60 Prozent der Bevölkerung aus. Damit haben sie eine echte Referenzgröße. Denn eine Referenzgröße muss mindestens 50 Prozent der Bevölkerung abdecken.“
Das klingt zwar erst einmal ziemlich abstrakt – könnte aber mittelfristig das Programm der Privatsender gründlich umkrempeln. Die Interessen und Wünsche der älteren Zuschauer bekommen dadurch nämlich in der Kalkulation der Sender zukünftig ein größeres Gewicht. Denn auch die Preise für Werbespots sollen sich zukünftig an den Einschaltquoten und Reichweiten in der neuen Zielgruppe orientieren, erklärt Weiss.
„Daher wird es auch so sein, dass sich auch die Programmmacher, auch die Sender an eine neue Zielgruppe gewöhnen müssen. Und das Programm sicherlich auch einen stärkeren Schwerpunkt auch auf die neue Zielgruppe haben wird. Das ist ganz klar. Denn wir können die neue Referenz-Zielgruppe nicht abkoppeln von dem Produkt unserer Vermarktung.“
Bei ARD ist man für eine Veränderung der Referenz-Zielgruppe offen. Kein Wunder: Denn die öffentlich-rechtlichen Sender haben besonders viele ältere Zuschauer, die bei der bisherigen Methode durchs Raster gefallen sind, die schlicht nicht mitgezählt wurden. Allein durch die veränderte Berechnungsgrundlage dürfte sich der Marktanteil der ARD deshalb um einige Prozentpunkte erhöhen. Bei der ARD-Werbung hätte man deshalb am liebsten die Zielgruppe noch enger gefasst und nur die 20 bis 59jährigen mitgezählt. Trotzdem kann sich Dieter Müller von der ARD-Werbung auch mit dem neuen Kompromiss anfreunden.
„Im Ergebnis macht es nur Sinn, wenn sich der gesamte Werbemarkt auf eine Referenz-Zielgröße verständigt. Und wenn 14 bis 59 mehrheitsfähig ist, dann soll es so sein. Auch wenn eine sachliche Definition vielleicht anders aussehen könnte.“
Ob sich die neue Zielgruppe „14 bis 59“ wirklich als Standard durchsetzt, hängt jetzt vor allem an der ProSieben-Sat.1-Gruppe. Doch die hat ein Problem mit dem neuen Modell. Ihr Flaggschiff-Sender ProSieben hat besonders viele junge Zuschauer. Würden Quoten und Marktanteile zukünftig auf Grundlage der neuen Zielgruppe berechnet, stünde der Sender plötzlich erheblich schlechter da. Guido Modenbach, Geschäftsführer von SevenOne Media, Werbevermarkter der ProSieben-Sat.1-Gruppe.
„Glücklich sind wir damit nicht, weil es eigentlich die Marktanteile und unsere Vorteile runter rechnet und die Vorteile von Sendern mit einer älteren Zuschauerstruktur nach oben rechnet. Vielleicht ist es der Kompromiss, damit alle jetzt sich irgendwie einigen. Aber so richtig sicher sind wir uns da ehrlich gesagt noch nicht.“
Möglich sei auch, dass ProSieben-Sat1 weiter bei der alten Zielgruppe 14 bis 49 bleibt – oder für einzelne Sender die Marktanteile für noch kleinere Zielgruppen ausweist.